Fahrrad-Hersteller

Die Geschichte der
Nürnberger Fahrrad-Fabriken

Fünf große Fabriken
und noch einmal so viele kleinere Betriebe
fertigten in den 1880/90-er Jahren
in Nürnberg Fahrräder

Den Anfang machte 1886 die
„Nürnberger Velocipedfabrik
Carl Marschütz & Co."

Werbeanzeige der Nürnberger Velocipedfabrik Carl Marschütz & Co. von 1887
Werbeanzeige der Nürnberger Velocipedfabrik Carl Marschütz & Co.,
Fränkischer Kurier vom 11.03.1887

Carl Marschütz war schon als junger Bursche während seiner Lehrzeit bei der Fa. Goldschmidt in Neumarkt/OPf. total fasziniert von dem neuen Fortbewegungsmittel „Velociped“.

1882 lernte er auf der 1. Bayerischen Landesausstellung in Nürnberg den Mechaniker Eduard Pirzer kennen, der dort zwei Hochräder ausstellte.

Beide verstanden sich auf Anhieb und ihre gemeinsame Fahrrad-Begeisterung führte dazu, dass sich Carls Lehrherren, die Brüder Joseph und Adolf Goldschmidt und Eduard Pirzer 1884 in Neumarkt/OPf. zur „Velociped-Fabrik Goldschmidt & Pirzer“ zusammenschlossen.

Marschütz war beim Aufbau der Fahrradfabrik, zu dem man Experten aus England nach Neumarkt holte, hautnah dabei, lernte Englisch und konnte wertvolle Erfahrungen sammeln, die ihm zugutekamen, als er sich 1886 selbständig machte und in Nürnberg seinen eigenen Betrieb, die „Nürnberger Velocipedfabrik Carl Marschütz & Co.“ gründete.

1887 folgte die „Velocipedfabrik Frankenburger & Ottenstein“.

Werbeanzeige der Velocipedfabrik Frankenburger & Ottenstein von 1887
Werbenzeige der Velocipedfabrik Frankenburger & Ottenstein,
Fränkischer Kurier vom 09.09.1887

Auch von Max Ottenstein ist überliefert, dass er ein fahrradbegeisterter junger Mann und aktiver Radsportler war.

1887 (damals war er 27) meldete er zusammen mit Max Frankenburger die „Velocipedfabrik Frankenburger & Ottenstein“ an. Produziert wurden anfangs Hochräder aus Komponenten, die man aus England importierte.

Der Betrieb lag in Gleishammer, damals noch ein Dorf einige Kilometer östlich von Nürnberg. Allerdings unterhielt die junge Firma ein Büro in bester Innenstadtlage (Königstraße 51).

Da die Fahrradbegeisterung zwar groß, das für eine Fertigung erforderliche technische Wissen aber eher begrenzt war, warb Ottenstein einen Mechaniker aus der Werkstatt des Münchner Fahrradbauers Johann Walch ab. Heinrich Ziegler wurde später Technischer Direktor bei den Victoria-Fahrradwerken.

1888 eröffnete die englische Konkurrenz eine Fabrik in Nürnberg

Werbeanzeige von Hillman, Herbert & Cooper aus dem Jahr 1889
Werbeanzeige von Hillman, Herbert & Cooper,
Radfahr-Humor vom 01.04.1889, Nr. 13, S. 210

Im November 1887 meldete der Fränkische Kurier:
„Der an der Fürther Straße neuangelegte Bau der englischen Velocipedgesellschaft Hillman, Herbert & Cooper in Coventry ist schon so weit gediehen, daß er in den nächsten Tagen unter Dach kommt. Die Aufstellung der Werkzeugmaschinen und Betriebskräfte soll so beschleunigt werden, daß mit Neujahr über 200 Arbeiter die Fabrikation beginnen können.“
Das war der Anfang der dritten Nürnberger Fahrradfabrik, die sich in den folgenden Jahren zur größten am Ort entwickelte. 1898 fertigte Hillman, Herbert & Cooper, The Premier Cycle Co. so viele Räder wie Hercules, Victoria, Mars und Triumph zusammen. In Werbeanzeigen rühmte sich das Unternehmen, die größte Fahrradfabrik Europas zu sein. Durchaus möglich, denn neben dem Stammwerk in Coventry und der Fabrik in Nürnberg gab es noch eine weitere Fertigung in Eger/Böhmen.
Das Unternehmen hatte in Nürnberg große Pläne: 1911 fusionierte „The Premier Cycle Co.“ mit der „Nürnberger Feuerlöschgeräte- und Maschinenfabrik vorm. Justus Christian Braun“ um in großem Umfang in die Produktion sog. Cycle-Cars einzusteigen.
Doch daraus wurde nichts, die „Justus Christian Braun – Premier-Werke AG“ ging schon 1913 in Liquidation.

1894 begann eine Ofenfabrik
Fahrräder zu fertigen.

Werbeanzeige der Fahrrad-Handlung Ludwig Reitz für Mars-Fahrräder von 1897
Werbeanzeige für Mars-Fahrräder,
Fränkischer Kurier vom 24.03.1897

Als Mitte der 1890-er Jahre ein regelrechter Fahrrad-Boom ausbrach, entschloss sich die im Nürnberger Vorort Doos ansässige „Amerikanische Ofenfabrik Paul Reißmann“, auch Fahrräder herzustellen. Das war die Geburtsstunde der späteren „Mars-Fahrradwerke“.

Offenbar schaffte es der Betrieb schnell, hochwertige Räder zu bauen, denn bereits 1896, bei der 2. Bayerischen Landesausstellung in Nürnberg, wurde er mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.

Die Absatzkrise, die der deutschen Fahrradindustrie ab 1898 schwer zu schaffen machte, traf auch Mars empfindlich. Nachdem schon 1899 das Aktienkapital zur Deckung von Verlusten von 1,1 auf 1 Million Mark heruntergesetzt werden musste, war 1903 ein weiterer Kapitalschnitt auf 0,5 Millionen Mark erforderlich. Erstmals konnte Mars im Geschäftsjahr 1904/05 eine Dividende von 6% zahlen.

Einen großen sportlichen Erfolg feierte Mars in August 1905 mit einem Sieg beim Motorradrennen am Kesselberg bei Kochel in Oberbayern

1896 gründete ein nach England ausgewanderter Nürnberger die
"Deutsche Triumph-Fahrrad-
Werke AG"

Werbeanzeige der Deutsche Triumph-Fahrrad-Werke AG von 1898
Werbeanzeige der Deutsche Triumph-Fahrrad-Werke AG,
Fränkischer Kurier vom 02.04.1898

Die Historie der Deutschen Triumph-Fahrrad-Werke ist schon außergewöhnlich: Der Nürnberger Siegfried Bettmann wanderte 1883 im Alter von 20 Jahren nach England aus. 1886 gründete er in Coventry ein Unternehmen und begann Fahrräder zu fertigen, die unter der Marke „Triumph“ verkauft wurden. Nachdem die Geschäfte gut liefen und Deutschland ein interessanter Absatzmarkt war, wurde 1896 die „Deutsche Triumph-Fahrrad-Werke AG“ ins Leben gerufen.

Schon ein Jahr später wurde die neu errichtete Fabrik in der Fürther Straße 212 bezogen und die Produktion aufgenommen. Der Anfang war vielversprechend: 1897 wurde das Aktienkapital von 0,5 auf 1 Million Mark verdoppelt, am Ende des Geschäftsjahres 1897/98 betrug die Dividende 10%.

Danach machte die Krise aber auch Triumph zu schaffen: Bis 1902 werden fast 370.000 Mark Verlust eingefahren. Der Bau von Metall-Bettgestellen und Patent-Stahlmatratzen, mit dem man die Fertigung auf eine breitere Basis stellen wollte, brachte keine durchgreifende Besserung. Erfolgreicher war Triumph mit seiner 1909 getroffenen Entscheidung, Schreibmaschinen zu produzieren.